Am Flughafen

Am Flughafen

 Ich sprang aus dem Bus und sah mich um. Von Elif war nichts zu sehen. Die Uhr zeigte bereits 15:50 Uhr. Wissen Sie, wie lange eine Minute ist? Kaum was, irgendwelche 60 Sekunden. Verschließen Sie jetzt Ihre Nase und atmen Sie nicht. Zeit ist relativ. Entweder es reicht dir oder reicht eben nicht. Heute war sie mein Feind Nummer eins. Aber ich kann meinen Atem für drei Minuten anhalten. Ich war drei Atemzüge davon entfernt, erfolgreich zu sein oder nicht! Ich holte tief Luft und rannte geradeaus zum Flughafeneingang. Vor der Tür schlängelte sich bereits eine lange Schlange. Sabiha Gökçen ist der kleinere Flughafen der Stadt und wird hauptsächlich für Inlandsflüge genutzt. In der Türkei unterliegen Sie der Gepäckkontrolle, noch bevor Sie das Gebäude eines Flughafens betreten. Vor mir standen alte Leute mit Taschen, mit Sisal verschnürten Koffern, Kisten und Tausende andere kleinere Stuecke, und sie schubsten sich gegenseitig. Ich hatte keine Zeit zu warten. Ich überholte sie alle und stellte mich vorne. Sofort brach ein Streit aus und zwei Polizisten standen vor mir. Es ist keine gute Idee, auf keinem Flughafen der Welt mit einem Rucksack direkt zur Polizei zu rennen. Hinter mir war der Mob bereit, mich zu lynchen, und vor mir standen zwei Polizeibeamte, die bereits nach ihren Handschellen griffen. Die Wahl war klar – Lynchen oder Verhaftung. In diesem Moment erinnerte ich mich, wie ich vor der Tür des Hotels in Antalya stand und der Besitzer des Hotels mir das Wort „ashkam“, große Liebe, beibrachte. Ich musste schnell handeln. Ich wandte mich der Menge zu, machte mit meinen Händen ein Herzzeichen und rief „ashkam“. Die Leute brachten in Lachen und machten die Geste.. von uns aus mach.... Ein Problem war wahrscheinlich gelöst, ich würde mich nicht lynchen lassen, zumindest nicht heute und nicht hier. Alles, was ich tun musste, war, die Waechter davon zu überzeugen, mich vor den anderen einzulassen. Ich wollte gerade anfangen, ihnen meine Situation zu bildlich darzustellen, als ich bemerkte, dass die beiden Polizisten, bereits ihre Hände von den Gürteln weggenommen und das Trennband beiseite gezogen hatten. Sie nahmten meinen Rucksack und fuehrten ihn durch den Scanner. Drin gab es nichts Besonderes. Ich ging durch die Kontrolle und versuchte, meinen Band vom Band zu nehmen. Ein Polizist drückte sie mir in die Hände, zwinkerte mir zu und sagte nur „Kasmet - Viel Glück“. Das war heute die fünfte Person, die mir das wünschte. War das ein Zeichen. Diese unsichtbare Hand führte mich wieder einmal durch ein weiteres Hindernis.

  Ich befand mich in einer riesigen Halle und suchte nach der Gate für Samsun. Ich war mir sicher, wenn ich Elif nicht vor der Tür finden würde, würde sie bereits ihren Koffer beladen und einchecken. Ein riesiges Schild zeigte deutlich, SAMSUN Bording ... Die Leute machten sich bereits auf dem Weg zum Einsteigen in die maschine. Von Elif aber fehlte jede Spur. Es war bereits 15.55 Uhr. Hatte sie ihr Versprechen gehalten, bis 16 Uhr zu warten, und wenn ja, warum war sie nicht vorn? Ich fing an, um das Terminal herumzuwandern. Ich habe die Warteschlangen kontrolliert, in die Toiletten geschaut, Leute gestoßen, sie dazu gebracht, sich umzudrehen, von Elif war nichts zu sehen. Ich stand in der Mitte des Terminals und starrte auf die große Uhr an der Wand. Die Zeiger bewegten sich langsam, drei weitere Drehungen des Sekundenzeigers und das Spiel stoppte fuer immer. Irgendetwas stimmte nicht. Ich hatte etwas übersehen, etwas passte ins Gesamtbild nicht. Ich schaffte es eine Woche lange durch und scheitere genau hier. Wo war diese unsichtbare Kraft, die mich immer dazu brachte, die richtigen Entscheidungen zu treffen? Wo war die Hand, die mich bisher durch all die Schwierigkeiten geführt hat? Warum haben sie mich am Ende alle verlassen? Verzweiflung, enttaeuschung und Wut eroberten meinen Koerper und meine Seele.

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Ich spürte, wie eine Hand meinen Bauch berührte. Neben mir stand ein kleiner Mann mit einem typisch türkischen Schnurrbart. Frau, Sie und Frau, sein Deutsch war sehr schlecht. Mir schien es, dass er ein Taxifahrer war, der mir, als er mein gebräuntes Gesicht und meine blonden Haare sah, die Liebkosungen eines der Mädchen von Yeni Kapu anbot. Der errinerte mich an die üblichen Flughafentaxifahrer auf der ganzen Welt mit ihren Angeboten für Hotels, Bars und Frauen. Ich schob ihn beiseite und sagte zu ihm „Yok be, gehe“. Ich will nicht, geh du weg. Er erschrak sich überhaupt nicht. Er schüttelte mich mit seiner Hand noch einmal, diesmal fester, sah mir in die Augen und sagte 

 - „Komm mit mir“  

 Ja, jetzt, sofort, ich gehe mit dir. "Ge weg" schrie ich und warf ihn fast zu Boden. Es machte ihm überhaupt keine Angst. Ich beobachtete, wie die Uhr über mir die letzte Minute unserer Verabredung mit Elif herunterzählte. Der Mann packte mich fest am Ellbogen, zog ein Stück Pappe aus seiner Tasche und hielt es mir ins Gesicht. Darauf, mit krummer Handschrift und ein paar Fehlern stand meinen Name wie in meiner Profile im Internet -  Zarko Alexandrov. „Komm schon“, sagte er lächelnd und ging zum Ausgang. Ihm war klar, dass ich ihm diesmal folgen würde. Ich sah mich um. Es gab genug Polizei und Militär, und wenn hier etwas falsch laufen sollte, gab es wenigstens jemanden, der mir helfen konnte. Was, wenn ich entführt wurde. Aber wer war ich, mir eine Falle zu stellen, woher kannte er meinen Vor- und Nachnamen? Die Fragen trafen mich eine nach der anderen. Mir lief die Zeit fuer Elif davon, und anscheinend wusste dieser Typ etwas, was ich nicht wusste. Vielleicht war mein Namensschild das Puzzleteil, das mir gefehlt hat. Ich folgte ihm und wir gingen die Treppe hinunter in die untere Etage. 

Ich verstand immer noch nicht, was los war und warum wir eine Ebene tiefer gehen mussten. Ich folgte ihm. Er war meine letzte Hoffnung. Geschickt bahnte er sich seinen Weg durch die Gepäckmassen, und ich sprang über Koffer, Kinder, Großeltern. Nach ein paar Runden stand ich neben ihm am Flughafentor. Er nickte den Polizisten zu, die das Tor öffneten, und ich fand mich auf dem Platz vor dem Ankunftsterminal wieder. Vor mir bei den Taxis hatte sich eine Menge Männer versammelt, die mich ansahen, als wäre ich ein Star aus einer türkischen Erfolgsserie.

Allmählich wurde es mir klar. Ich hatte alles bis ins letzte Detail geplant. Aber der Bus hatte mich im obersten Stockwerk des Flughafens abgesetzt, wo die abfliegenden Flugzeuge starten. Darin lag auch Logik. Wir kamen aus der Stadt, offenbar um abzufliegen. Die Schlange für Samsun war auch oben. Vielleicht wartete Elif, die aus dem Flugzeug von Deutschland ausstieg, unten auf mich. 

In diesem Moment drehte ich mich nach links und sah sie. So wie ich sie mir vorgestellt habe. Sie trank ihren letzten Kaffee aus, rauchte ihre letzte Zigarette, schaute auf ihre Uhr, trat gegen ihren Koffer und schaute, bevor sie ging, einmal nach links, dann einmal nach rechts. Ihr Blick fiel auf mich. Sie lächelte, schüttelte den Kopf und ließ den Koffergriff los. Die Männer vor mir zuckten zusammen und begannen zu klatschen. Eine Hand packte mich und führte mich zu ihr. Ich wusste jetzt, wessen Hand es war, die mich von Antalya nach Istanbul führte, durch Yeni Kapi und den Bosporus nach Elif. Es war die Hand des Schicksals. Der kleine Herr schob mich, lächelte mich an und sagte nur „Kasmet - Viel Glück“. Ich hörte die Zeiger der Uhr über mir ticken. Es war 16:00 Uhr! Ich habe gewonnen! Ich umarmte Elif und küsste sie sanft.

Das war erst nur der Anfang...

Fortgesetzt werden

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