Flitterwochen mit dem Geschmack von Meersalz und Keksen - Teil 11
Jede Beziehung beginnt in der Regel mit einem „zufälligen“ Kennenlernen auf einer Party gemeinsamer Freunde. Gespräche über gemeinsame Themen, Austausch von Telefonen. Nach
und nach kommen sich die Menschen näher, treffen sich immer häufiger,
romantische Dinner, ein Kino mit Liebesfilm, die erste Berührung, ein
Austausch leidenschaftlicher Blicke und schließlich ein zärtlicher Kuss
folgen. Nach ein oder zwei Monaten beginnt die Beziehung.
Bei mir fing es anders an. Treffen in einem Hotel mitten in stürmischer See, auf einem Steg, und sie fragte mich, warum meine Beine so krumm sind. Unser erstes romantisches Abendessen war das Knallen von gesalzenen Sonnenblumenkernen am Pool im größten Sturm, der Antalya seit zwei Jahren heimgesucht hat. Unser erstes Treffen war am Flughafen in Istanbul, wo mich eine Gruppe neugieriger Taxifahrer in der Flughaffenhalle suchte. Unsere Blicke trafen sich neben einem verschlossenen Zeitungskiosk vor dem Ankunftsterminal des Flughafens Istanbul. Ich hielt ihre Hand zum ersten Mal auf dem Rücksitz eines kleinen Busses im Stau auf der Bosporus-Brücke. Einen Tag später checkten wir in einem Luxusapartment im Sultan-Ahmed-Viertel ein, direkt hinter der Moschee. Wir frühstückten auf unserer eigenenTerrasse und genossen den Rhythmus der Nachbarschaft. Langsam kamen zuerst unsere Flitterwochen und im Laufe der Zeit muessten wir uns dann kennenlernen. Wir hatten keine Ringe ausgetauscht, wir hatten auch keine Telefone ausgetauscht. Wichtig war, dass uns ein Taxifahrer in einer offiziellen Zeremonie auf dem Flughafenplatz vor einer großen Gruppe seiner Kollegen und unsere Taruzeugen seinen Segen gegeben hatte. Dies gab mir das Recht, Elif meine Frau zu nennen und sie als solche der Istanbuler Gemeinschaft zu präsentieren, obwohl ich außer ihrem Namen nichts über sie wusste.
***
Wir aßen auf der Terrasse die Köstlichkeiten, die wir zum Frühstück zubereitet hatten, und schwelgten in der nächsten Ebene unserer Bekanntschaft. Es dauerte seine Zeit, aber wir hatten genug. Draußen war es heiß und wir verbrachten den Vormittag gerne in dem klimatisierten Raum. Mit dem Nachmittagsgebet um fünf Uhr beschlossen wir auch, uns der Welt zu zeigen.
***
Keiner von uns wusste etwas über Istanbul, und wir gingen direkt die Straße entlang. In der Ferne waren Möwen zu sehen, die Brise brachte Frische und kühlte die Millionenstadt ab. Das Meer muss nicht weit gewesen sein. Noch vor zwei Tagen war Elif in Deutschland und ich in Antalya, vor einer Woche wussten wir nicht mal irgendwas voneinander, und heute lebten wir schon zusammen, hielten Händchen und gingen zum Abendessen an den Bosporus.
Es war Juni 2016. Aus politischen Gründen gab es fast keine Touristen. Die Straßen waren leer, Ladenbesitzer tranken gelangweilt Tee vor ihren Läden, die Polizei ruhte sich im Schatten aus. Istanbul
hatte uns nicht nur seine Tore geöffnet, sondern gab uns die
Möglichkeit, seine wahre, unverfälschte, authentische Schönheit zu
genießen. War das nur scheinbar ruhig, die Stille vor dem Sturm? Hätte das Jahr 2016 nicht nur unser Leben auf den Kopf gestellt, sondern auch das Leben tausender Menschen in der Türkei. Jemand schrieb in diesem Moment Weltgeschichte, und wir waren nur winzige Staubkörner auf seinem Schreibtisch. Aber für uns war unsere Geschichte alles.
Da ahnten wir noch nichts. Ich hielt Elifs Hand und hüpfte fröhlich wie ein kleines Kind zwischen den Tramschienen herum. Wir gingen in Richtung Eminönü. Es war schon fast dunkel. Nach
ein paar Kurven praesentierte sich ein Spektakel aus Licht, Düften, Lärm uns vor..... das Nachtleben von Istanbul forderte uns heraus, ihm zu frönen. In
Licht gebadete Boote boten Fischbrot an - "balak ekmek", Händler versuchten die Möwen zu uebrschreien. Die
Fähren von der asiatischen Seite erreichten den Hafen in all ihrer
Kraft und Schönheit, öffneten ihre Türen und ließen Dutzende von
Menschen wie Ameisen vor unseren Augen dahingleiten. Das Theater hob seinen Vorhang und präsentierte uns die schönste Kulisse, von der ein Regisseur träumen kann. Die Schauspieler waren diesmal wir. Die Aufführung hatte begonnen.
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Eminonu-Abend und die Boote mit Fischbrot - "Balak ekmek | " |
Neben dem Hafen, direkt neben dem Pier, gab es ein kleines Café mit Tischen draussen. Das Meer war so nah und rau, dass die Wellen Meereswasser über die Tische spritzten. Ich war schon vier Tage in Istanbul und hatte immer noch keinen Tee mit Keksen getrunken. Die Zeit hatte mir den Krieg erklärt, aber hier eroberte ich allmählich meine Territorien zurück.
- Komm schon, ich lade ein , sagte ich, zog einen Stuhl heraus, wischte ihn aus dem Wasser und zeigte Elif, sich zu setzen. Ich war am Goldenen Horn. Ich hatte nur in Geschichtsbüchern über ihn gelesen, und hier bin ich heute, hier mit einer liebenswerten Frau,.
Noch bevor wir Platz genommen haben, stand ein tadellos gekleideter Kellner neben uns.
- Hoshkadelniz /Willkommen auf Türkisch/, Efendim ! - er hielt sein Notizbuch in der Hand und blickte träge in den Himmel.
- Iki chai, lütfen ve bir tabaga kurabie - zwei Tees und ein Teller Kurabies /tuerkische Kekse/, bestellte Elif.
Wir saßen da und sahen uns an. Was ist passiert. Es war alles so unwirklich. Was könnten wir uns sagen, wie soll ein Gespräch beginnen, worüber wir sprechen sollten!? Nun, ich kannte diese Person nicht. Die Schreie der Möwen und die Sirene der Fähre durchbrachen die tote Stille, die Wellen wirbelten Elifs Haar hoch, das im orangefarbenen Lichttoene des Sonnenuntergangs über der Moschee leuchtete. Mich überkam ein Gefühl der Hilflosigkeit. Ich konnte fühlen, wie ich mich verliebte.
- Iki chai effendim , die Stimme des Kellners erschreckte mich und er stellte eine Untertasse mit einer Tasse Tee darauf und ein paar Keksen vor uns hin, Ayfiet olsun - guten Appetit auf Türkisch. Er war so schnell, dass ich nicht einmal merken konnte, wann er kam und wann er ging.
Ich nippte an meinem Tee und sah Elif an. Schmeckte nach Meereswasser etwas salzig. Ich verbrannte mir fast den Mund, aber ich war entschlossen, sie das Gespräch beginnen zu lassen. Sie hätte zuerst sprechen sollen! Ich
wollte, dass sie entscheidet, worüber sie reden moechte– für uns... es war
wirklich zu früh, und wir hatten nicht einmal 24 Stunden zusammen verbracht, andererseits war es
zu umständlich für allgemeine Gespräche.
- Zarko, plötzlich nach meiner dritten Lippenverbrennung brach sie das peinliche Schweigen , weißt du woran ich die ganze Zeit denke? Um Gottes willen, Elif, ich wusste nicht, wie alt du bist, wo du lebst und was du tust, und du fragst mich, ob ich weiß, woran du denkst. Ich hoffte, sie würde mir für die gute Organisation unserer Reise nach Istanbul danken, mir ihre Gefühle offenbaren, mir etwas über sich erzählen. Ich zitterte in Erwartung eines Kompliments oder der Anvertrauung intimer und geschätzter Geheimnisse.
- Zarko, ich habe viel darüber nachgedacht, wie ich es dir sagen soll, aber es gibt keinen besseren Zeitpunkt. Oh, fing sie an, sich auch in mich zu verlieben, meine Hände zitterten, die Tasse Tee schwankte und verpasste meinem bereits nassen T-Shirt ein paar braeunlichen Fleckent. Stolz saß ich da und wartete auf die größte Anerkennung für einen Mann, die Anerkennung einer ihn liebenden Frau. Sie sprach weiter
- Zarko, fuhr sie fort , Zarko, wenn du nach Deutschland zurückkehrst, musst du dir unbedingt einen Job suchen und dein Studium beenden.
Wenn mich eine Möwe angegackt hätte, wenn mich die Fähre beim Schwimmen ueberfahren hätte, wenn sie mir eine Ohrfeige verpasst hätte, wäre es immer noch besser als das. Ich saß da und traute meinen Ohren nicht, wir waren am vielleicht romantischsten Ort der Welt, das Goldene Horn, Istanbul gehörte uns, wir hatten eine Residenz wie Sultansprinzen, und wovon redete sie. War sie bescheuert? Wir sahen uns direkt in die Augen.
Ich konnte es nicht mehr ertragen, stand auf und schlug auf den Tisch. Die Teetassen hüpften, die Kekse verstreuten sich auf dem Boden, die Leute im Restaurant drehten sich zu uns um, die Fischer ließen für einen Moment die Augen von ihren Posen, die Zaptieta /turkische Polizei/ hielt ihren Wagen neben uns an. Mitten in Eminonu, in meiner vollen Größe, vor mindestens tausend Menschen, stand ich auf und schrie ich mit all meinem bulgarischen Stolz.
- Schau mal, ich mag dich sehr, vielleicht bin ich sogar verrückt nach dir, aber wenn du mir hier noch einmal etwas über Deutschland, Studium und Arbeit erzählst, fang ich dich an und mit deinem Stuhl ...Ich werde dich direkt hier ins Meer schmeissen, unten bei den Felsen, und bei Gott, diese Leute werden meine Zeugen sein.
Elif hatte eine solche Reaktion nicht erwartet. Sie sah mich mit ihren großen Augen voller Uberraschung und Angst an und sagte nur.
- Ich war mit vielen Männern an verschiedenen Orten bei einem Date, aber niemand konnte sich trauen und wollte mich jemals beim ersten Date mich ins Meer schmeissen. Weißt du was, Zarko, ich mag dich auch sehr. -Sie stand auf, liess 20 Lira auf dem Tisch liegen, lächelte die Leute an, die uns anstarrten, nahm meine Hand und küsste mich. Der Kellner hob die Kekse vom Boden auf, nahm das Geld, sah mich an und sagte mir nur Kusmet olum , Glück, mein Sohn.
Der Hogda sang sein Abendgebet, die Sonne warf ihre letzte Lichtstrahlen auf uns und wir tauchten in die nächtlichen Straßen von Istanbul.
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